in Klammern
schreib ich (mich),
klammer mich ein,
klammer mich aus
schieb mich ein (und unter-
breche mich), klammer mich
an Klammer, Komma und
Gedankenstrich
in Klammern
setz ich (mich)
(bin ja nicht so wichtig)
(oder?)
in Klammern
schreib ich (mich),
klammer mich ein,
klammer mich aus
schieb mich ein (und unter-
breche mich), klammer mich
an Klammer, Komma und
Gedankenstrich
in Klammern
setz ich (mich)
(bin ja nicht so wichtig)
(oder?)
außer mir
bin ich noch immer
in der Welt
aus der Welt
will ich sein ganz
in mir
wie
heiß ich,
heiß ich
wer weiß wie?
wer
bin ich,
bin ich
wer oder was?
was
bin ich,
bin ich
wer weiß was in aller Welt?
Es spricht mein Geist:
Ich denke, also
bin ich.
Es spricht mein Leib:
Ich leide, also
bin ich.
Es spricht mein Herz:
Ich liebe, also
bin ich.
Ich aber sage:
Ich bin.
tiefe Rillen
ritzt das Leben
in die Rinde meiner Haut:
ganz aufgerauht ist sie
vom vielen Bims
über alten Zeichen,
immer wieder neu
beschrieben, dabei zerrieben fast
zwischen meinen Jahresringen:
ein Palimpsest,
in dem ich lese
und dennoch keines der geheimen Zeichen
zu entziffern vermag
ich lege mich
in meine Hand
dorthin, wo ich
mein Herz klopfen höre:
hier – so hoffe ich –
bin ich vor mir
in Sicherheit
(9.3.2018)
Wenn ich
anders bin
als die anderen
bin ich dann nicht
auch eine andere
und damit
den anderen
gleich?
Nur wer sich verändert,
bleibt sich gleich.
(Hat vielleicht schon mal jemand gesagt…)
Sprecht mir nicht von
Durchblick, nur
weil ihr durch
mich hindurch
seht. Durchsichtig
scheine ich euch,
doch habt ihr mich
noch lange nicht
durchschaut.
Eine Pantun-Variation von Heinrich von Morungen
ich bin iemer der ander
niht der eine
ich bin iemer ander
und niht eine
niht der eine
bin ich iemer eine
und niht eine
und niht eine
ich bin iemer eine
ich bin iemer ander
und niht eine
ich bin iemer der ander
Das Pantun gehört für mich zu den großen Entdeckungen beim #frapalymo diesen November. Etwas freier gehandhabt scheint es mir die passende Form zu sein für einen Satz Heinrichs von Morungen (Lied XI, MF 131,25), den die Handschriften in drei Varianten überliefern: „Ich bin iemer der ander, niht der eine“ (wird übersetzt mit: ‚Ich bin immer der zweite, nicht der einzige‘), „Ich bin iemer ander und niht eine“ (wird übersetzt mit: ‚Ich bin immer zu zweit und nicht allein‘) und „Ich bin iemer eine und niht eine“ (könnte man übersetzen mit: ‚Ich bin immer allein und nicht der einzige‘). Aber das Sinnspiel mit „ander“ (‚der zweite‘, ‚einer von zweien‘, ‚der andere‘, ‚der nächste‘) und „eine“ (‚der eine‘, ‚der einzige‘, ‚allein‘) geht meines Erachtens noch viel tiefer… – insofern ist es leider nicht wirklich übersetzbar.
Ein Haiku von Meister Frauenlob
Ich suchte mich, da
vant ich min da heime nicht.
lip, wa was ich do?
Verse aus der dritten Strophe aus Lied 6 von Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob (GA XIV,28), neu verfugt zu einem Haiku – ist das nicht ein verblüffend moderner Gedanke am Ende des 13. Jahrhunderts?
Worthilfen: vant = fand; min – wörtlich: meiner, d.h. etwas von mir; da heime = daheim; lip = Leib, Leben; wa = wo; was = war; do = da, damals
Hier meine Übersetzung, die Form wahrend:
Ich suchte mich, da
fand ich nichts von mir zuhaus.
Leib, wo war ich da?
Ein inverses Tanka von Walther von der Vogelweide
Owê, war sint verswunden
alliu mîniu jâr?
ist mîn leben getroumet
oder ist ez wâr?
iemer mê ouwê!
Walther von der Vogelweide wäre nicht Walther von der Vogelweide, würde er sich an Regeln halten. Und so ist sein Tanka nicht nach dem traditionellen Muster 5-7-5 7-7 gebaut, sondern invers: 7-5-7 5-5. Die Verse sind dem Eingang seiner sog. ‚Elegie‘ (L. 124,1) entnommen, kombiniert mit dem Refrain, wobei ich nur ein wenig eingreifen musste, um die erforderliche Silbenzahl zu erhalten. Hier meine Übersetzung, die die Form zu bewahren sucht:
Ach, wohin sind verschwunden
all meine Jahre?
Ist mir mein Leben geträumtoder ist es wahr?
Ach, für immer ach!Diese Tanka-Variation eröffnet eine kleine Dreierreihe, für die ich Verse gewählt habe, die mich immer schon angesprungen, umgehauen und eingenommen haben.